24.01.2023

UPGRADE | Tragfähiges Team dank regelmässigen «Liniengesprächen»

Im neusten Beitrag unserer Serie «UpGrade – Bestehendes erneuern und verbessern» erklärt die Leiterin der sozialpädagogischen Wohngruppe Rose, wie eng getaktete «Liniengespräche» die innere Sicherheit und Handlungsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden stärken.

Ein sicherer Ort. Das will die Wohngruppe Rose in Heiden AR für zehn jungen Frauen zwischen 13 und 20 Jahren sein. Es sind schwierige Situationen, oft mit gravierenden psychischen Problemen, Übergriffserfahrungen, starken familiären oder schulischen Belastungen. Entsprechend komplex ist die sozialpädagogische Arbeit, welche auf den drei Säulen Traumapädagogik, Transaktionsanalyse und Naturverbundenheit basiert.

«In unserem Job arbeiten wir mit uns selber als Werkzeug», sagt Heimleiterin Nicole Wolschendorf. Damit dieses Werkzeug langfristig gesund und einsatzfähig bleibt, bietet die Rose ihren Mitarbeitenden verschiedene Versorgungsgefässe an. Ein wichtiges Instrument sind die sogenannten «Liniengespräche». Diese werden in Abständen zwischen drei und sechs Wochen mit der jeweils vorgesetzten Person geplant und strukturiert durchgeführt – und dies auf sämtlichen Ebenen der Versorgerkette, von der Chefin bis zur Jugendlichen. Konkret: Der Vorstand der sozialpädagogischen Einrichtung führt regelmässige Liniengespräche mit der Heimleitung durch, die Heimleitung mit der Gruppenleitung, die Gruppenleitung mit den Teamfrauen und die Teamfrauen mit den sogenannt jungen Frauen, wie die Klientinnen in der Rose bezeichnet werden. Die Struktur der Gespräche variiert leicht und beinhaltet spezifische Themen, die für die jeweilige Linie wichtig sind. Es gibt jedoch auch Themen, die sich in allen Gesprächen durchziehen. Insbesondere sind das der Blick auf die persönliche Befindlichkeit, die Situation im Team, die eigene Resilienz oder die innere Sicherheit. Zudem dienen die Gespräche dazu, Organisatorisches wie anstehende Termine, aktuelle Aufgaben oder besondere Projekte zu thematisieren. Und in jedem dritten Liniengespräch wird auch der aktuelle Stand der gesetzten Mitarbeiter-Jahresziele (bei den Jugendlichen Stand Förderziele) überprüft.

Ungefähr eine Stunde nimmt ein solches Liniengespräch in Anspruch. Heimleiterin Nicole Wolschendorf ist überzeugt, dass sich dieser Zeitaufwand lohnt. «Die fest installierten Gefässe für die Mitarbeiterversorgung geben den Mitarbeitenden Orientierung und Sicherheit. Sie erhalten einen Raum, wo sie gehört, fachlich und auch emotional versorgt werden.» Das steigert die innere Sicherheit, das Handeln wird bewusster und bewirkt, dass Krisen bei den Jugendlichen professioneller aufgefangen werden könnten. Diesbezüglich spricht Nicole Wolschendorf aus eigener Erfahrung, wenn sie auf ihre erste Zeit in der Rose zurückblickt: «Ich wollte Grenzen setzen, fühlte mich innerlich aber unsicher. Das war inkongruent.» Die stark belasteten Jugendlichen seien aber auf einen sicheren Ort angewiesen, der es erlaube, bisherige Überlebensstrategien zu überprüfen, aufzugeben und alternative Verhaltensweisen zu erlernen.

Aufgrund der Erkenntnis, dass die Auseinandersetzung mit sich selbst ein wichtiger Teil der sozialpädagogischen Arbeit in der Rose ist, führte die Heimleiterin 2013 das Konzept der Liniengespräche als Teil der Mitarbeiterversorgung ein. Und wie kommen diese eng getakteten Gespräche bei den Mitarbeitenden an? In Vorstellungsgesprächen seien neue Teamfrauen stets hoch begeistert vom System. «Doch irgendwann kommt der Punkt, wo sie merken, wie stark die sozialpädagogische Arbeit mit ihnen als Person zusammenhängt», so Nicole Wolschendorf. In diesem Moment ehrlich auf die eigenen, wunden Punkte zu schauen, sei eine grosse Aufgabe. Die Arbeitsweise der Rose sei Fluch und Segen zugleich. «Es ist ein Fluch, dass ich mit eigenen, unverarbeiteten Geschichten konfrontiert werde. Aber auch ein Segen, weil wir uns befreien können von unseren Mustern oder Strategien, die nicht mehr förderlich sind.» Für die Versorgung der wunden, unverarbeiteten Geschichten des Betreuungspersonals bietet die Rose zusätzlich die Möglichkeit von Coachings bei einem Coach/Therapeuten. Die Teamfrauen können diese beruflich oder persönlich für sich nutzen.

Offensichtlich ist diese Art der Mitarbeiterversorgung erfolgreich. Qualitativ bessere Arbeit und eine geringere Personalfluktuation in einem höchst anspruchsvollen Arbeitsumfeld sei der Gewinn. «Zudem hören wir von aussen immer wieder, dass wir eine extrem tragfähige Institution seien und stark in der Beziehungsgestaltung mit den Jugendlichen», sagt Nicole Wolschendorf. «Ich bin überzeugt, dass dies auch mit dem Instrument der Liniengespräche zusammenhängt.»

Links und Informationen

Wohngruppe Rose

Fachzeitschrift CURAVIVA | 6/2021, Seite 18 

Kontakt Wohngruppe Rose:
Nicole Wolschendorf
+41 71 344 47 07 | E-Mail