18.02.2022

POLITIK | Kindes- und Erwachsenenschutz

Die Angemessenheit der Massnahmen muss durch zuverlässige Gutachten begründet sein.

ARTISET und seine Branchenverbände erachten es für notwendig, an die Qualität der Verordnung, Umsetzung und Ermessung von Gutachten im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes höchste und klar definierte Ansprüche zu stellen. Die Behörden orientieren sich sehr häufig an den Einschätzungen und Empfehlungen der Gutachten, beispielsweise in Bezug auf die Platzierung eines Kindes in einer Einrichtung und bei der Wahl einer geeigneten Einrichtung. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Qualität von Gutachten sehr unterschiedlich ist. Um dem entgegenzuwirken, wären gesetzliche Bestimmungen im Sinne eines Vieraugenprinzips, der Interdisziplinarität oder methodischer und formaler Auflagen sinnvoll. Es geht um die Legitimation der Massnahmen zum Kindes- und Erwachsenenschutz, insbesondere die Platzierung von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen. Ein gut durchgeführtes Gutachten erleichtert es den Einrichtungen zudem, in jedem Einzelfall einen bedarfsgerechten Rahmen zu schaffen.

Am 18. Februar 2022 behandelte die Rechtskommission des Ständerats (RK-S) eine Motion von Nationalrat Beat Flach, die qualitative Standards bei von den zuständigen Behörden und Gerichten verlangten Gutachten im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht einfordert.  Der Nationalrat hat seinerseits die Motion trotz einer negativen Stellungnahme des Bundesrates bereits angenommen. Die RK-S beantragt nun den Ständerat, sich nicht der Meinung des Nationalrats anzuschliessen und erachtet es nicht für notwendig, konkrete Anforderungen an die Form und Qualität der Gutachten im Gesetz zu verankern. ARTISET und seine Branchenverbände bedauern diese Haltung der RK-S.

Das Bundesrecht stellt heute keine klaren Anforderungen an die Form und Qualität von Gutachten. Die Zivilprozessordnung sieht zwar die Einhaltung gewisser Regeln vor, die von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ergänzt werden. ARTISET und seine Branchenverbände erachten es dennoch für notwendig, konkrete, umfassende und verbindliche Qualitätsvorgaben gesetzlich zu verankern. In ihren Augen genügt es nicht, dass die Behörden in der Praxis zu grob gefasste gesetzliche Vorschriften ergänzen müssen, indem sie sich in Bezug auf methodische und formale Vorgaben weitgehend auf Empfehlungen von Wissenschaftlern und Fachverbänden abstützen. Das aktuelle Regelwerk ist ein Sammelsurium, denn zur Qualitätssicherung müssen die bundesgerichtliche Rechtsprechung sowie verschiedene Praxishandbücher, Leitlinien und Merkblätter hinzugezogen werden. Gemäss ARTISET und seinen Branchenverbänden reicht dies nicht, um eine ausreichende Qualität der Gutachten zu gewährleisten. Zur Sicherstellung der Legitimität und Wirksamkeit der Massnahmen müsste das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht für Gutachten verbindliche Kriterien vorschreiben.

Motion Frei (Flach) 19.3219 «Qualitative Standards bei Gutachten im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht»

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